Das Eisenbahn-Attentat 1926 bei Leiferde

Im Herbst 1944 landeten meine Mutter und ich, auf Umwegen, aus dem zerbombten Berlin in Leiferde und fanden dort zunächst Unterkunft bei meinen Grosseltern, die sich aus dem gleichfalls zerbombten Hannover dorthin zurückgezogen hatten. Natürlich kannte aus unserem Bekanntenkreis kaum jemand diese Gegend. Aber wenn das Wort Leiferde fiel, kam sehr oft die Reaktion: "Ach, da war doch einmal dieses grosse Zugunglück". Und das 18 Jahre danach.


Foto: "Das Neue Universum 1926"

Es war der 19. August 1926 kurz nach Mitternacht, als zwei Landstreicher zwischen Leiferde und Meinersen eine Schiene lösten und zur Seite bogen. Ihre Absicht war es, in dem entstehenden Chaos den Postwagen zu berauben. Es handelte sich um den 21-jährigen Otto Schlesinger und den 22-jährigen Willi Weber, dessen Bruder Walter eingeweiht, aber an der Tat nicht beteiligt war.

Der Zug entgleiste, die Lok, der Tender und der Packwagen kippten um. Der Postwagen löste sich und bohrte sich in die Böschung. Weiter hinten schoben sich mehrere Wagen ineinander, dort gab es 20 Tote. Im Packwagen kam der Zugführer zu Tode. Der Lokführer, der Heizer und 9 Beamte des Postwagens kamen mit dem Leben davon. Die Anzahl der Verletzten und der mit dem Schrecken davongekommenen ist nicht bekannt. Alle drei am Attentat beteiligten konnten gefasst werden. Otto Schlesinger und Willi Weber wurden zum Tode verurteilt, aber später zu lebenslänglich Zuchthaus begnadigt. Walter Weber erhielt, wegen unterlassener Anzeige einer schweren Straftat, zwei Jahre Gefängnis.