Meinerser Bauernverse um 1850    

Kirche Wie in dem bekannten plattdeutschen Lied Von Herrn Pastor sin Kau gab es in den Gemeinden sogenannte Nawern Reegen (Nachbarn Reigen) die zu vielen Anlässen gesungen und immer weiter ausgesponnen wurden. Sozusagen ein musikalisches Kommunikationsmittel. Andere "Medien" waren Mangelware. Die unten zitierten Buern-Nawernreege in Maanze (Bauern Nachbarn-Reigen in Meinersen) wurden, inclusive der Anmerkungen, vom Familienzweig meiner Großeltern gesammelt, die aus dem nahen Umkreis von Meinersen stammten.

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Einen völlig neuen Aspekt dieser Verse hat jetzt (2016) der Höfechronist Ernst Weck aus Meinersen herausgefunden. Mindestens ein Eintrag in den Versen stammt schon aus etwa 1665. Da lebte Hennig Hennies Witwe auf einem völlig verwahrlosten und verschuldeten Hof, und führte so zu der Zeile "Henjes Ole hat nix in'n Sacke" (im Text unterstrichen). Eine weitere Zeile weist auf ihren Ursprung gegen 1865 hin. Es ist doch erstaunlich, wie in diesen Versen vor unserem Kommunikationszeitalter Tradition und Geschichte bewahrt wurden.

Buern-Nawernreege in Maanze

Uppen Amte slacht se ne Kau
Ole Schulver de kickt tau
De Amthauptmann krigt se halw
De Meele (Walte) krigt den Talg
De Bruerie (Steller) liewert dat Beier
und Batteram de Eier
Berend's Mudder warket goohet linnen
und Börkers schimpet overn Paster sine Immen
Ole Mensch maket veel Trara
Cord Thies starf an Cholera
Bäcker Hanne kickt up de nie Straate
Tobies komet oft tau late
Aschen Gnurrkater
Beschan's Schneesewater
Liers Dickbacke
Henjes Ole hat nix in'n Sacke
Haensen Hogetorn
Diessel hat 't Sprick verlorn (*1)
Inner Schaule singet Kinder
un Braband de slagt Rinder
Prall'n Eierkaukenbäcker (*2)
Ramaker's Tausmecker (*2)
Plooten Alexander bitt Krüger`s Heinrichen (*3) den Kettel vonander
Loot (Uhle) bläst up'n Trechter
Rädecke werd Amtsrechter (*4)
Brennecken Friedjen spitzt de Ohren
Kraul's Musikante bläßt up'n grooten Horn (*5)
Meinen Mudder fängt in'n Ohm 'n Aal (*6)
na Ahl's Krauge gaht et dahen dal
Hansen gaht de Schuß inne Decke (*7) Ole Kook fällt vor Verjagt inne Hecke (*7)
Lieter's Mudder drägt ne groote Kiepe
de Kumissär kiekt upper Jagd ganz niepe
Miehe wohnt am Felle
Ahrens kleiet im Gelle
Keunicken Vader drägt 'Kapeschen'
Ole Beutner feuert gern Kaleschen
Kraul wohnt in 'ner Sinken
Und Telge will verdrinken

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* Anmerkungen zur Buern Nawernreege in Maanze um 1850.

  1. Der genannte Bauer Diessel war ein besinnlicher und viel denkender Mann, dem es passieren konnte, daß er Grüße überhörte und nicht dankte, wenn er die Dorfstraße entlang ging.

  2. Die Nachbarn Pralle und Ramaker waren eng befreundet und besonders die Frauen tauschten viel Erfahrung und Kochrezepte aus.

  3. In Plooten Hofe lebte derzeit ein Besitzer, der Alexander genannt wurde. Von diesem wird erzählt, daß er anläßlich einer Wette bei Krüger einen Kaffeekessel zerbissen hat.

  4. Der genannte Rädecke studierte Jura und wurde tatsächlich Amtsrichter.

  5. Der genannte Krauls war Musiker.

  6. In älteren Zeiten, vor dem Eisenbahnbau 1870 und dem Bau des großen Dammes in den neuen Wiesen kam es vor, daß bei starken Hochwassern die Fluten quer durch Meinersen flossen, ungefähr im Lauf des heutigen Trendelsee-Staugrabens. Bei diesen Gelegenhei-ten alarmierte der Nachwächter die Einwohner Meinersens, um die Zäune und sonstigen Hemmnisse zu beseitigen, damit das Wasser abfließen konnte. Der genannte Hof lag mit an der tiefsten Stelle. Daher ist es nicht unwahr-scheinlich, daß von der genannten Frau (Meinen Mutter) tatsächlich ein Aal am oder im Ofen gefangen wurde. Daß das Hochwasser durch dieses Haus geflossen ist, steht fest.

  7. Dem Hansen, einem passionierten Jäger, ist beim Laden seiner Jagdflinte (Vorderlader) tatsächlich ein Schuß teils aus dem Fenster, teils in die Zimmerdecke gegangene Der Nachbar Kook, der in nächster Nähe vom Schemel aus die Hecke beschnitt, fiel vor Schreck in die Hecke